und fachliche Standards zum Umgang mit Personen in Abhängigkeits- oder Vertrauensverhältnissen im Chorverband der Evangelischen Kirche im Rheinland e.V.

 

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I.   LEITGEDANKEN

Als Verband kirchlicher Chöre wollen wir, dass Kinder, Jugendliche, Schutzbefohlene aller Altersstufen sowie Erwachsene in unseren Einrichtungen und Veranstaltungen dem Evangelium von Jesus Christus begegnen und dadurch die Menschenfreundlichkeit Gottes kennenlernen.

Sie werden ernst genommen und beteiligt, ihre Selbstbestimmung und ihre Grenzen werden respektiert. Sie werden darin gestärkt, auch in schwierigen Situationen selbstbewusst zu handeln.

Sie haben in unseren Einrichtungen und Angeboten das Recht, sich sicher zu fühlen und zu sein und können darauf vertrauen, dass alle Verantwortlichen ihre Grenzen achten und für sie sorgen.

Verantwortliche haben die Pflicht, sie vor jeder Form körperlicher, emotionaler, psychischer und geistig-geistlicher Gewaltanwendung zu schützen. Alle Bereiche des Chorverband der Evangelischen Kirche im Rheinland e.V. sollen für diejenigen, die unsere Angebote wahrnehmen, sichere Orte und ein geschützter Lebensraum sein. Wir wollen und müssen dafür einstehen, dass diese Bedingungen und Grundsätze uneingeschränkt auch für Mitarbeitende gelten. Uns erwächst aus der Verantwortung die Verpflichtung, konkrete Strukturen und Hilfen zu schaffen und zur Verfügung zu stellen.

Diese Haltung findet ihren Ausdruck im folgenden Verhaltenskodex:

  1. Meine Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen („Minderjährige und Volljährige in Abhängigkeitsverhältnissen“) sowie die Zusammenarbeit, der Umgang und das Miteinander mit den Kolleg:innen und Mitarbeiter:innen ist geprägt von Respekt, Wertschätzung und Vertrauen. Ich achte ihre Rechte und ihre Würde. Ich stärke sie, für ihr Recht auf seelische und körperliche Unversehrtheit wirksam einzutreten.
  2. Ich gehe verantwortungsbewusst und achtsam mit Nähe und Distanz um. Ich respektiere die persönlichen Grenzen und die Intimsphäre meines Gegenübers. Das gilt insbesondere für alle Situationen unter vier Augen.
  3. Mir ist meine besondere Vertrauens- und Autoritätsstellung gegenüber Minderjährigen und Volljährigen in Abhängigkeitsverhältnissen, aber auch ein durch das Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis faktisch entstehendes Abhängigkeitsverhältnis bewusst. Ich handele nachvollziehbar und ehrlich. Beziehungen gestalte ich transparent und nutze keine Abhängigkeiten aus.
  4. Ich toleriere weder diskriminierendes, gewalttätiges noch grenzüberschreitendes sexualisiertes Verhalten in Wort, Bild (Medien) oder Tat. Ich will versuchen, dagegen aktiv Stellung zu beziehen. Nehme ich Grenzverletzungen wahr oder werde über solche ins Vertrauen gezogen, will ich mich dafür einsetzen, dass die notwendigen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung der Betroffenen eingeleitet werden können. Ich nehme Menschen ernst, wenn sie sich mir oder anderen mitteilen wollen. Ich weiß, dass ich mich jederzeit beraten und unterstützen lassen kann.
  5. Ich achte die fachlichen Standards für den Umgangs mit Nähe und Distanz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt in meinem Arbeitsfeld.

 

II.   FACHLICHE STANDARDS

Der Verhaltenskodex gilt für alle Arbeitsbereiche des Chorverband in der Evangelischen Kirche im Rheinland e.V. Die nachfolgenden fachlichen Standards beschreiben spezifische Situationen im kirchenmusikalischen Kontext und gelten gleichermaßen für hauptberuflich, nebenberuflich und ehrenamtlich Mitarbeitende, Honorarkräfte sowie für Leitende kirchenmusikalischer Angebote (z. B. auch mitarbeitende Eltern oder Minderjährige, z. B. Teamerinnen und Teamer).

Begriffsbestimmungen für die nachfolgenden fachlichen Standards

Die Bezeichnung „Personen in Abhängigkeits- oder Vertrauensverhältnissen“ umfasst sowohl minderjährige als auch volljährige Personen.
Der Begriff „Mitarbeitende“ umfasst im Folgenden alle oben genannten Gruppen.

Situationen und Themenfelder

Die fachlichen Standards betreffen folgende Situationen und Themenfelder:

  1. Gestaltung von Nähe und Distanz
  2. Angemessenheit von Körperkontakt
  3. Beachtung der Intimsphäre
  4. Verhalten auf Lehrgängen, Freizeiten und Reisen mit minderjährigen Personen
  5. Disziplinierende Maßnahmen
  6. Sprache und Wortwahl
  7. Medien und Soziale Netzwerke
  8. Umgang mit Belohnungen und Geschenken
  9. Umgang mit Übertretungen des Verhaltenskodex und der fachlichen Standards
  10. Besondere Situationen im kirchenmusikalischen Kontext


1.    Gestaltung von Nähe und Distanz

Die kirchenmusikalische Arbeit, insbesondere mit Personen in Abhängigkeits- oder Vertrauensverhältnissen, erfordert ein adäquates Verhältnis von Nähe und Distanz. Die Beziehungsgestaltung muss dem jeweiligen Auftrag entsprechen.

  • Individuelle Grenzempfindungen sind ernst zu nehmen, zu achten und nicht abfällig zu kommentieren.
  • Grenzverletzungen sind grundsätzlich zu thematisieren und nicht zu übergehen. Ansprechpartner:innen dafür sind Dienstvorgesetzte, das Team, Kolleg:innen des Vertrauens oder die Sorgeberechtigten.
  • Alles, was Mitarbeitende sagen oder tun, darf weitererzählt werden, es sei denn, es handelt sich um datengeschützte Informationen über Dritte.
  • Professionelle Beziehungsgestaltung, angemessene Nähe und Distanz sowie deren Reflexion sind regelmäßige Themen in Teambesprechungen, Personalgesprächen oder Supervision.
  • Erleben Mitarbeitende selbst Grenzverletzungen durch Personen in Abhängigkeits- oder Vertrauensverhältnissen, sind das Team oder die / der Dienstvorgesetzte zu informieren. Es wird empfohlen, eine Fachberatungsstelle hinzuzuziehen, um sich über das weitere Vorgehen beraten zu lassen.
  • Private Urlaube oder Übernachtungen im gleichen Raum (z. B. auf Freizeiten) gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen sind den Mitarbeitenden verboten.
  • Übernachtungen von Kindern und Jugendlichen in den Privatwohnungen von Mitarbeitenden sind untersagt. Sollte es im Ausnahmefall aus triftigen und transparent gemachten Gründen dennoch dazu kommen, müssen immer mindestens zwei erwachsene Personen präsent sein. Der Schutzperson muss in jedem Fall eine eigene Schlafmöglichkeit in einem separaten Raum zur Verfügung gestellt werden. Die Zustimmung der Sorgeberechtigten ist Voraussetzung.
  • Exklusive oder vom sozialen Umfeld isolierende Freundschaften von Mitarbeitenden mit einzelnen Kindern und Jugendlichen sind verboten.

Abweichungen von einer Regel sind nur in begründeten Ausnahmefällen möglich. Transparenz und die Zustimmung der Sorgeberechtigten ist Voraussetzung.

2.    Angemessenheit von Körperkontakt

Körperkontakt muss dem jeweiligen Kontext angemessen, achtsam und altersgerecht sein. Er setzt die freie und erklärte Zustimmung der jeweiligen Person voraus, deren erfragter Wille ausnahmslos zu respektieren ist.

  • Unerwünschte Berührungen oder körperliche Annäherungen, auch in Verbindung mit dem Versprechen von Belohnungen oder der Androhung von Strafen, sind verboten.
  • Körperkontakt zum Zweck der Versorgung oder des Trostes bedarf besonderer Aufmerksamkeit und sollte nach Möglichkeit und (Pflege-)Bedarf mit den Sorgeberechtigten vereinbart werden.
  • Körperberührungen aus pädagogisch benennbaren Gründen sind zurückhaltend einzusetzen und nie ohne die jederzeit widerrufbare Zustimmung erlaubt. 

3.    Beachtung der Intimsphäre

Die Intimsphäre aller Menschen ist zu achten und zu schützen.

  • Die Intimsphäre ist der ganz persönliche Lebensbereich eines Menschen. Teil der Intimsphäre sind unter anderem Übernachtungszimmer oder persönliche Umkleideräume.
  • Gemeinsames Umkleiden von Mitarbeitenden zusammen mit Kindern und Jugendlichen in einem Raum (z. B. vor oder nach Konzerten) ist verboten.
  • Gemeinsame Körperpflege mit Kindern und Jugendlichen, insbesondere gemeinsames Duschen, ist verboten.
  • Niemand darf in unbekleidetem Zustand (z. B. beim Umziehen oder Duschen) beobachtet, fotografiert oder gefilmt werden. Diesbezügliche Einwilligungen dürfen nicht beachtet werden.

4.    Verhalten auf Lehrgängen, Freizeiten und Reisen mit minderjährigen Personen

Mehrtägige Freizeiten und Lehrgänge mit Übernachtungen sind grundsätzlich sinnvoll und wünschenswert, stellen jedoch eine besondere Herausforderung dar.

  • Übernachtungen im gleichen Raum mit minderjährigen Personen sind den Mitarbeitenden verboten.
  • Auf Veranstaltungen und Reisen, die sich über mehr als einen Tag erstrecken, sind mindestens zwei erwachsene Begleitpersonen verpflichtend. Außerdem muss gewährleistet sein, dass je nach Altersstruktur der Teilnehmenden pro 5–9 minderjährige Teilnehmende eine erwachsene Begleitperson oder eine jugendliche Begleitperson mit Juleica-Card zur Verfügung stehen.
  • Es ist auf eine ausgewogene Geschlechterzusammensetzung der Begleitpersonen in Bezug auf die zu betreuende Gruppe zu achten.
  • Wenn bei Freizeiten ein Übernachtungsraum betreten werden muss, z. B. im Rahmen der Aufsichtspflicht, einer medizinischen Notwendigkeit oder einem Notfall, sollen Aufsichtspersonen den Raum nur nach Ankündigung (Anklopfen) und nicht allein betreten.

Sind diese Rahmenbedingungen in der Praxis nicht umsetzbar, z. B. wenn die Räumlichkeiten ein geschlechtsgetrenntes Schlafen bzw. getrennte Schlafmöglichkeiten für Mitarbeitende nicht ermöglichen, ist, wie auch bei anderen Abweichungen, Transparenz und die Zustimmung der oder des Dienstvorgesetzten und der Sorgeberechtigten Voraussetzung.

5.    Disziplinierende Maßnahmen

Disziplinierende Maßnahmen dürfen nicht der Bestrafung dienen. Sie haben das Ziel einer Verhaltensänderung, dürfen die persönlichen Grenzen nicht überschreiten, müssen in direktem Bezug zum Fehlverhalten stehen und angemessen, konsequent und für die Betroffenen nachvollziehbar sein.

  • Jede Form von Gewalt, Nötigung, Drohung oder Freiheitsentzug ist untersagt. Diesbezüg- liche Einwilligungen dürfen nicht beachtet werden.
  • Beschämende oder bloßstellende Maßnahmen sind verboten.
  • Aktionen, die mit körperlichen oder psychischen Risiken verbunden sind (z. B. Mutproben, Initiationsriten), sind verboten. Diesbezügliche Einwilligungen dürfen nicht beachtet werden.

6.    Sprache und Wortwahl

Jede Form persönlicher Interaktion und Kommunikation soll durch Wertschätzung und Respekt geprägt sein, um Verletzungen und Demütigungen des Gegenübers zu vermeiden. Sie soll der jeweiligen Rolle und dem Auftrag entsprechen und der Zielgruppe und ihren Bedürfnissen angepasst sein.

  • Sprachliche Grenzverletzungen sind zu unterbinden. Dazu gehören z. B. diskriminierende Schimpfwörter, abfällige Bemerkungen, Bloßstellungen oder sexualisierte Äußerungen.
  • Seitens der Mitarbeitenden ist die Verwendung von Kosenamen und abwertenden Spitznamen zu unterlassen. Andere Spitznamen dürfen nur mit vorheriger Zustimmung der Person verwendet werden.

7.    Medien und Soziale Netzwerke

Die Nutzung von Medien und Sozialen Netzwerken erfordert Kompetenz und sensiblen Umgang.

  • Die Auswahl von Filmen, Fotos, Spielen und Materialien muss im Sinne eines achtsamen Umgangs miteinander sorgsam getroffen werden. Sie hat pädagogisch sinnvoll und altersadäquat zu erfolgen.
  • Medien mit pornografischen, diskriminierenden, gewaltverherrlichenden oder extremistischen Inhalten sind verboten.
  • Die Nutzung von Messengerdiensten und Sozialen Netzwerken im Kontakt mit minder- jährigen Personen ist Mitarbeitenden nur im Rahmen der Vorgaben des Arbeitgebers ge- stattet.
  • Mitarbeitende sind verpflichtet, auch im Bereich Medien und Soziale Netzwerke aktiv gegen jede Form von Diskriminierung, gewalttätigem oder sexistischem Verhalten und Mobbing vorzugehen.

8.    Umgang mit Belohnungen und Geschenken

Der Umgang mit Belohnungen und Geschenken ist reflektiert und in jedem Fall transparent zu handhaben, da exklusive Geschenke emotionale Abhängigkeit fördern können.

  • Belohnungen, Geschenke und finanzielle Zuwendungen von Mitarbeitenden an einzelne Personen in Abhängigkeits- oder Vertrauensverhältnissen ohne sachliche Begründung haben zu unterbleiben.
  • Bevorzugungen einzelner Personen in Abhängigkeits- oder Vertrauensverhältnissen ohne sachliche Begründung sind verboten.

9.    Umgang mit Übertretungen des Verhaltenskodex und der fachlichen Standards

Im Folgenden wird geregelt, wie mit Übertretungen umzugehen ist und wem gegenüber sie transparent zu machen sind.

  • Mitarbeitende und Leitende dürfen grundsätzlich auf ihr Verhalten angesprochen werden.
  • Mitarbeitende haben eigene Übertretungen des Verhaltenskodex und der fachlichen Standards der jeweiligen Leitung transparent zu machen. Gleiches gilt für Übertretungen durch andere Mitarbeitende.
  • Bei gravierenden Übertretungen ist die bzw. der Vorgesetzte oder eine landeskirchliche Ansprech- und Meldestelle zur Beratung des weiteren Vorgehens hinzuziehen.

10.    Besondere Situationen im kirchenmusikalischen Kontext

Im Folgenden werden einige besondere Situationen im kirchenmusikalischen Kontext thematisiert.

  • Einzelsituationen (z. B. Einzelunterricht, Einzelgespräche, Übungseinheiten usw.) sind nur in den dafür vorgesehenen geeigneten Räumlichkeiten erlaubt (von außen zugänglich, während des Unterrichts nicht verschlossen, ausreichend beleuchtet).
  • Unterricht mit Minderjährigen in Privaträumen der Lehrkraft ist nur ausnahmsweise und nur mit Genehmigung der Sorgeberechtigten erlaubt.
  • Unterrichtsmethoden, Übungen, Spiele und Aktionen sind so zu gestalten, dass sie keine Angst machen und nicht grenzüberschreitend sind.
  • Beschämende oder bloßstellende Maßnahmen (z. B. ungewolltes alleiniges Vorsingen, Erniedrigung im Zusammenhang mit der persönlichen Leistung) sind verboten.
  • Eltern können unangemeldet Unterrichtsveranstaltungen und Proben aufsuchen.

Sind diese Rahmenbedingungen in der Praxis nicht umsetzbar, z. B. dass Kirchen aus Sicherheitsgründen verschlossen sein müssen, ist bei Minderjährigen die Zustimmung der Sorgeberechtigten Voraussetzung.